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Wie emotional reif bin ich? Der ultimative Test

Wie emotional reif bin ich? Der ultimative Test

Eine unserer seltsamsten Eigenschaften ist die, dass unsere emotionale Entwicklung nicht immer mit unserem körperlichen Wachstum Schritt hält. Wir können äußerlich fünfundfünfzig sein, aber innerlich viereinhalb wenn es um unsere Impulse und unsere gewohnte Art der Kommunikation geht – so wie wir körperlich gerade mal an der Schwelle zum Erwachsensein stehen können, während wir emotional schon überaus weise sind.

Um unsere eigene emotionale Reife sowie die Reife anderer einzuschätzen, können wir eine einzige, täuschend einfache Frage stellen, die uns schnell zum Kern unseres eigentlichen „emotionalen Alters“ führt.

Wenn jemand, von dem wir emotional abhängig sind, uns im Stich lässt, uns enttäuscht oder uns hängen lässt, was ist dann unsere typische Art zu reagieren?

Es gibt drei Reaktionen, die auf mangelnde emotionale Reife hinweisen (Wir können uns hier auf einer Skala von 1-10 selbst bewerten, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wie wir funktionieren).

Erstens: Wir schmollen

Das heißt, wir sind sehr verärgert und weigern uns, der Person, die uns verärgert hat, zu erklären, was das Problem sein könnte. Die Kränkung unseres Stolzes und unserer Würde fühlt sich zu überwältigend an. Wir sind innerlich zu zerbrechlich, um zu zeigen, dass wir getroffen wurden. Wir hoffen gegen jede Wahrscheinlichkeit, dass die andere Person einfach auf magische Weise versteht, was sie getan hat, und es in Ordnung bringt, ohne dass wir sprechen müssen. Ungefähr so wie ein Kind, das die Sprache noch nicht beherrscht und hofft, dass das Elternteil einfach weiß, was das Problem ist.

Zweitens: Wir werden wütend

Eine weitere Reaktion ist extrem und unverhältnismäßig wütend auf die enttäuschende Person zu werden. In unserer Wut mögen wir groß und stark erscheinen, aber niemand, der sich mächtig fühlt, wäre auf eine solch titanische Wut angewiesen. Im Inneren fühlen wir uns gebrochen, in Seenot und im Hinterhalt. Doch unser einziger Ansatz die Kontrolle wiederherzustellen, ist uns aufzuführen wie ein gekränkter Imperator oder ein provoziertes Raubtier. Unsere Angriffe und Boshaftigkeiten sind, auf ihre verschlüsselte Art, Eingeständnisse von Angst und Wehrlosigkeit. Unser Schmerz ist tief und umfassend, unsere Art damit umzugehen ist vor allem traurig.

Drittens: Wir zeigen der anderen Person die kalte Schulter

Es bedarf viel Mut, um jemandem, der uns verletzt hat, zu zeigen, dass wir beleidigt sind; dass die Person Macht über uns hat und dass ein wichtiger Teil unseres Lebens in ihren Händen liegt. Es kann viel einfacher sein, eine unerbittliche Mauer der Gleichgültigkeit zu errichten. Genau dann, wenn wir emotional am verletzbarsten durch das Verhalten eines geliebten Menschen sind, beharren wir darauf, dass wir nicht die geringste Kleinigkeit bemerkt haben und uns sowieso einen Dreck darum scheren würden. Wir tun vielleicht nicht nur so, als ob: Der ständige Kontakt mit unseren Wunden könnte endgültig unerträglich geworden sein. Das Gefühl, nichts zu spüren, war für uns vielleicht weniger beängstigend, als sich auf die emotionalen Höhen und Tiefen des Lebens einzulassen.


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Diese drei möglichen Reaktionen führen uns die drei Marker der emotionalen Reife vor Augen:

Erstens, die Fähigkeit zu erklären

Also die Macht – und das lässt sich leicht sagen, ist aber in der Praxis eine enorme Leistung – zu erklären, warum wir über die Person verärgert sind, die uns verletzt hat; das Selbstvertrauen zu haben, dass wir die richtigen Worte finden können; dass die Art und Weise wie wir leiden nicht armselig oder erbärmlich ist und dass wir mit etwas Glück erreichen können, dass wir verstanden werden – und das von jemandem, bei dem wir uns tief im Inneren, auch in diesem belastenden Moment, erinnern können, dass er oder sie nicht unser Feind ist.

Zweitens, die Fähigkeit, ruhig zu bleiben

Eine reife Person weiß, dass ihr robustes Selbstwertgefühl sie in jeder Situation stützen kann. Das gibt ihr die Ruhe, nicht sofort schreien zu müssen, andere nicht zu verurteilen, nicht das Schlimmste anzunehmen und mit übermäßiger Gewalt zurückzuschlagen. Die Weiseren unter uns mögen sich selbst genug, um nicht zu vermuten, dass jeder einen guten Grund hätte, sie zu verspotten oder anzugreifen.

Drittens, die Fähigkeit, verletzlich zu sein

Die reife Person weiß und hat sich mit der Idee abgefunden, dass die Nähe zu jemandem immer die Gefahr mit sich bringt, verletzt zu werden. Sie fühlt genug innere Stärke, um eine tragfähige Beziehung zu ihren eigenen Schwächen zu haben. Sie ist in ihrer emotionalen Nacktheit so unbefangen, dass sie selbst der Person, die sie scheinbar gedemütigt hat, sagen kann, dass sie Hilfe braucht. Sie vertraut letztendlich darauf, dass an ihren Tränen nichts falsch ist und dass sie das Recht hat, jemanden zu finden, der weiß, wie man mit ihr zurechtkommt.

Diese drei Eigenschaften gehören zu dem, was wir die drei Kardinaltugenden der emotionalen Reife nennen können: Kommunikation, Vertrauen und Verwundbarkeit.

Die drei Tugenden wurden uns entweder in einer warmherzigen Kindheit geschenkt, oder wir werden sie als Erwachsene mühsam lernen müssen. Dies ist vergleichbar mit dem Unterschied, ob man mit einer Fremdsprache aufwächst oder sie sich als Erwachsener über lange Zeit aneignen muss. Der Vergleich gibt uns jedoch zumindest einen Eindruck vom Ausmaß der vor uns liegenden Herausforderung. Es gibt nichts, wofür man sich angesichts unserer gegenwärtigen Unwissenheit schämen müsste. Wir haben vielleicht noch nie Erwachsene um uns herum gehört, die einen emotional ausgereiften Dialekt sprechen. So können wir – trotz unseres Alters – wieder zur Schule gehen und 5 bis 10.000 Stunden damit verbringen, mit großer Geduld und Zuversicht die schöne und komplexe Grammatik der Sprache des emotionalen Erwachsenseins zu lernen.


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By The School of Life

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