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Wie wir in der Liebe weniger defensiv sind

Wie wir in der Liebe weniger defensiv sind

Wenn wir auf einen Nenner bringen müssten, woran Beziehungen scheitern, wäre die Antwort diese: an Abwehrhaltungen. Das ist natürlich eine grobe Verallgemeinerung. Aber tatsächlich ist es fast immer Abwehr, die eine Liebe zugrunde richtet.

Leider kann man Situationen, die eine Abwehrreaktion auslösen, nicht entkommen.
Ganz gleich, wie sehr zwei Menschen einander zugetan sind: Die Vertrautheit wächst, man lernt einander kennen und stolpert immer häufiger über gewisse Charaktereigenschaften des*der anderen. Eigentlich will man einfach nur nett zueinander sein. Aber wie der Mensch, mit dem man das Leben teilt, sein Frühstücksei pellt, das Badezimmer verwüstet, tagelang den Koffer im Flur rumstehen lässt, die Wohnungsschlüssel verschusselt oder immer wieder denselben Witz erzählt, ist dann doch äußerst irritierend.

„Liebe mich so, wie ich bin!“, ist unser verhängnisvoller Schlachtruf.

Problematisch wird es, wenn man wagt, ihn darauf anzusprechen. Mal löst man Wut, mal Traurigkeit aus. Die Haltung, die hinter solchen Reaktionen steckt, ist immer dieselbe: Der*die Kritisierte findet es völlig inakzeptabel, für unvollkommen gehalten zu werden und ist überzeugt, die Kritik selbst widerspreche dem Geist wahrer Liebe zutiefst.

„Liebe mich so, wie ich bin!“, ist unser verhängnisvoller Schlachtruf. Damit steuern wir allerdings geradewegs auf eine Katastrophe zu. Denn angesichts unserer Defizite ist das eine völlig unfaire Forderung. Würden wir stattdessen ein Mindestmaß an Selbsterkenntnis besitzen, hätten wir den Wunsch, für etwas anderes geliebt zu werden: Nämlich für das, was wir zu sein hoffen; für das, was wir in unseren besten Momenten sind; für das Gute, das in uns schlummert und noch nicht verwirklicht ist.


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Die Liebe kann uns helfen, zu werden, die wir sein wollen.

Wahre Liebe sollte darin bestehen, dass wir uns für Feedback nicht nur bedanken, sondern mehr davon verlangen. Sie sollte uns dazu anleiten, ständig nach einer besseren Version von uns selbst zu streben. Liebe wäre dann kein behaglicher Rückzugsort, an dem man unsere Fehler bestätigt und gutheißt, sondern ein Klassenzimmer, in dem wir lernen, die Person zu werden, die wir sein wollen.

Eine solche Haltung fällt uns allerdings nicht zu; wir müssen sie üben. Das gelingt, wenn wir Folgendes beachten:

– Gib zu, dass du Angst hast!

Hinter einer Abwehrhaltung verbirgt sich immer die Angst, gedemütigt und verlassen zu werden. Ein*e echte*r Partner*in, der*die erfährt, wovor wir Angst haben, ist davon berührt und hilft uns zu dabei, nicht die Kritik zu fürchten, sondern die Unfähigkeit, Kritik anzunehmen.

– Kritik ist normal

Wäre Fehlerlosigkeit die Bedingung, eine Beziehung führen zu können, blieben wir alle allein. In Wirklichkeit sind wir nicht deshalb liebenswert, weil wir perfekt sind, sondern weil niemand von uns jemals perfekt sein kann.

– Liebe ist robust

Für den defensiven Menschen ist die winzigste kritische Bemerkung wie ein kleiner Erdrutsch, der eine Lawine ankündigt. Er vertraut nicht darauf, dass es wirklich nur um die Frage geht, wie lange Nudeln kochen müssen oder wie man ein Bett richtig macht. Für ihn scheint der Kritik die Absicht zugrunde zu liegen, Wunden zu reißen und die gesamte Beziehung einem raschen Ende zuzuführen. Wer so denkt, weiß nicht, wie robust Liebe sein kann. Er*sie hat keine Ahnung davon, dass man einander aufs Übelste beschimpfen und sich zehn Minuten später in den Armen liegen kann, weil die zärtlichen Gefühle dadurch erneuert und gestärkt wurden, dass man seinen Frust loswerden konnte. Etwas zerbricht – und wird repariert. Wahre Liebe ist unverwüstlich. Kleinigkeiten können ihr nichts anhaben. Nicht läppische Details sind es, die eine Beziehung zerstören, sondern die Art und Weise, wie wir mit ihnen umgehen.

Aber keine Sorge: Es ist durchaus möglich, Abwehrhaltungen hinter sich zu lassen. Zum Beispiel, indem wir bei der Partnersuche nach jemandem Ausschau halten, der*die bereit ist, mit uns den heldenhaften Versuch zu unternehmen, Abwehrhaltungen zu erkennen und zu überwinden. Wir könnten dieses Vorhaben gleich zu Beginn ansprechen, zum Beispiel so: „Ich möchte eines Tages aufs Land ziehen, Spanisch lernen und mit der Hilfe meines Partners meine Abwehrhaltung überwinden…”.

Wir können den Versuch, Kritik anzunehmen, ohne beleidigt, verletzt oder wütend zu sein, als eine der größten Herausforderungen des Lebens betrachten – wie sportliche Leistungen oder geschäftlichen Erfolg. Wenn wir uns richtig Mühe geben, erreichen wir ein Stadium, in dem uns unser*e Partner*in mit Taktgefühl und Wohlwollen darauf hinweist, dass wir Mundgeruch haben oder dass unsere Schuhe nicht zu unserem Oberteil passen. Und anstatt wie früher mit Abwehr darauf zu reagieren, könnten wir uns einfach zu ihm*ihr umdrehen, freundlich lächeln und das sagen, was fehlerhafte Menschen immer sagen sollten, wenn ein anderes Mitglied ihrer Spezies ihnen hilft, eine bessere Version ihrer selbst zu werden: Danke.


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