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Woran man merkt, dass jemand eine schwierige Kindheit hatte

Woran man merkt, dass jemand eine schwierige Kindheit hatte

Manchmal begegnen wir Menschen, die sich mit allem schwertun. Sie ertragen es nicht, geliebt zu werden; sie sind ständig sauer; sie trauen sich nicht, sie selbst zu sein; sie müssen immer recht haben. Wir kennen zwar ihre Geschichte nicht, aber die Vermutung liegt nahe, dass sie früher, vor langer Zeit, zu wenig geliebt wurden.

Liebe ist für die Entwicklung der Seele das, was Vitamine für die Entwicklung des Körpers sind. Gerät das psychische Gleichgewicht leicht aus der Balance, kann ein Mangel an Fürsorge und Einfühlungsvermögen, an Toleranz und Sympathie in der Kindheit dahinterstecken – das grundsätzliche Versagen darin, die Bedürfnisse eines kleinen Menschen ernst zu nehmen.

Hier gilt Folgendes:

– Verwehrt man einem kleinen Menschen das Gefühl, wichtig zu sein, ringt er ein Leben lang um Bedeutung. Vielleicht ist er besonders zurückhaltend, vielleicht betritt er unablässig die Bühne und versucht, das Publikum für sich zu gewinnen. Der Schmerz ist in beiden Fällen ähnlich: Es ist das belastende Gefühl, nicht verdient zu haben zu existieren. Wenn wir niemals Mittelpunkt der Welt eines anderen waren, können wir uns selbst nicht ertragen.

– War unsere Bezugsperson weder warmherzig noch verlässlich, zärtlich oder interessiert, zweifeln wir an der Liebe einer*s jeden, der*dem wir begegnen. Wir vertrauen niemandem (ohne allerdings zu verstehen, warum dem so ist); wir halten jede*n potenzielle*n Partner*in für langweilig, unattraktiv oder „komisch“ (vielleicht, weil er*sie mehr von uns hält als wir von uns selbst). Gut möglich, dass wir ziemlich charmant sind; vielleicht sehnen wir uns auch nach einer Familie.  Aber wir zerstören gnadenlose jede Beziehung, sobald sie auch nur ansatzweise funktioniert.

– Hat uns niemand vorgelebt, dass wir unsere Bedürfnisse äußern dürfen und wie man das macht, haben wir später Schwierigkeiten, unsere Wut zu spüren. Wir schmollen und behaupten, alles sei okay; wir sagen, dass es uns gut geht, obwohl uns eigentlich zum Heulen ist. Der klärenden Kraft von Gesprächen vertrauen wir kein bisschen.

– Wenn wir ärgerlich waren, aber brav sein mussten und niemanden stören durften; wenn wir verzweifelt versuchten, jemanden zu beruhigen, um geliebt zu werden, dann entwickeln wir uns später zu geschmeidigen Konformisten, die sich perfekt an alle vorherrschenden Erwartungen anpassen können… nur nicht an die eigenen.

– Wenn wir ständig Angst haben mussten, weil Gebrüll und Bedrohung allgegenwärtig waren, fühlt sich die Welt niemals stabil an. Die permanente Angst bringt uns um den Schlaf. Wir projizieren eine vergangene Katastrophe in die Zukunft. Und rechnen ständig damit, dass etwas schief geht – wie damals.


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– Wenn wir körperlich vernachlässigt wurden, man unsere Grenzen nicht respektierte oder unser Äußeres nicht schätzte, fällt es uns im Erwachsenenalter schwer, unser Aussehen nicht zu verachten. Wir betrachten uns nicht gern im Spiegel und finden es unangenehm, mit jemand anderem im selben Raum zu schlafen. Es gelingt uns nicht, so regelmäßig zu trainieren, wie wir eigentlich wollen und uns so zu ernähren, dass es uns guttut. Vielleicht haben wir Herzprobleme, vielleicht fällt es uns schwer, uns nicht ständig irgendwo zu kratzen. Unser Körper weiß, was mit uns los ist.

– Wenn man uns eingetrichtert hat, wir seien Genies mit einer goldenen Zukunft, wir aber nicht wussten, warum; wenn jemand von uns erwartete, etwas Besonderes zu sein, um sein eigenes Gefühl der Gewöhnlichkeit zu kompensieren, dann ringen wir unser ganzes Leben lang darum, das Gewöhnliche, Alltägliche in uns zu akzeptieren. Nie kommen wir in den Genuss, einfach nur „sein“ zu dürfen.

– Wenn man uns nie zugehört hat, ist es schwer, anderen Raum zu lassen. Wie sollen wir auch lernen, auf die Komplexität eines anderen Menschen einzugehen, wenn sich in der entscheidenden Anfangsphase niemand die Mühe gemacht hat, uns und unserer Unverwechselbarkeit die dringend benötigte Aufmerksamkeit zu schenken?

– Wenn wir gelernt haben, Dramen inszenieren zu müssen, um wahrgenommen zu werden; wenn wir verführerisch sein mussten, überirdisch gut oder unterirdisch schlecht: Wie sollen wir jemals den Mut fassen, diese Gewohnheiten zu erkennen oder gar abzulegen, sobald sie unseren Interessen im Weg stehen?

Die meisten von uns wissen genau, was sie an anderen nervt – und beklagen sich darüber. Besser wäre es, allen Mut zusammennehmen und herauszufinden, woher die Probleme kommen. Das allerdings setzt voraus, sich einer traurigen Wahrheit zu stellen: Nicht die Politik, die Wirtschaft oder neue Technologien haben die Welt aus den Fugen gebracht. Sondern unsere Unfähigkeit, kleinen Menschen das zu geben, was sie brauchen.


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